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Mut zum Scheitern Selbstsabotage: Warum wir uns oft selbst im Weg stehen – und wie wir endlich damit aufhören

Viele Menschen wollen durchstarten – stehen sich dann aber doch selbst im Weg. 
Viele Menschen wollen durchstarten – stehen sich dann aber doch selbst im Weg. 
© RichVintage / Getty Images
Schieben Sie Aufgaben auch manchmal bis zum letzten Zeitpunkt auf? Glückwunsch, dann gehören Sie zur großen Gruppe der Selbstsaboteure. Warum wir uns so verhalten – und was wir dagegen tun können. 

Die lang ersehnte Beförderung, der liebevolle Traumpartner in spe, die Weltreise, von der man schon so lange geträumt hat – sobald die Dinge, die wir uns sehnlichst wünschen, zum Greifen nahe sind, setzt bei vielen Menschen eine Art Blockade ein. Statt einfach zuzugreifen, finden wir wilde Ausreden, gehen unnötige Umwege oder schlagen zur Sicherheit direkt eine völlig andere Richtung ein. Dass es mit dem Glück mal wieder nicht geklappt hat, das schieben wir dann gerne auf äußere Umstände, Schicksal – oder einfach nur Pech. Dabei sind wir es oft selbst, die uns im Weg stehen.

Das Stichwort heißt hier Selbstsabotage. Ein weit verbreiteter Mechanismus, der auf den ersten Blick und mit einem rationalen Blick mehr als absurd erscheint: Wir stellen uns mit verschiedenen Methoden selbst ein Bein, wenn wir gerade dabei sind, richtig loszulaufen. Die Bestseller-Autorin Brianna Wiest hat diesem Phänomen ein ganzes Buch gewidmet. In "The Mountain is you" beschreibt sie das Problem mit einem philosophischen Blick wie folgt:

"Manchmal sabotieren wir unsere Beziehungen, weil es uns eigentlich darum geht, uns selbst zu finden – wir jedoch auch Angst haben, allein zu sein. Manchmal sabotieren wir unseren beruflichen Erfolg, weil es uns eigentlich darum geht, künstlerisch tätig zu sein, selbst wenn uns dies nach den Maßstäben der Gesellschaft weniger zielstrebig erscheinen lässt. Manchmal sabotieren wir unseren Heilungsweg, indem wir unsere Gefühle analysieren, weil wir dadurch vermeiden können, sie tatsächlich zu erfahren."

Was Selbstsabotage bedeutet

Selbstsabotage bedeutet also, dass wir unsere eigenen Bedürfnisse, Wünsche, Werte und Ziele selbst behindern. Das kann bewusst oder unbewusst passieren und sich in einer Vielzahl von Gewohnheiten und Reaktionen äußern. Und nahezu jeder von uns nutzt den ein oder anderen Sabotage-Mechanismus zumindest hin und wieder.

Vielleicht haben Sie sich ja selbst schon einmal dabei ertappt, wie Sie sich viel zu viel Arbeit aufgehalst haben – in dem Wissen, die To-Do-Liste niemals abhaken zu können. Oder Sie schieben wichtige Aufgaben bis zum letzten Moment vor sich her, kaufen Dinge, die Sie eigentlich nicht brauchen – oder dramatisieren Situationen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ja, all das ist Selbstsabotage.

Die Beststeller-Autorin Brianna Wiest lebt in den USA und greift mit ihrem neuesten Buch "The Mountain is you" einen Schutzmechanismus auf, den wohl jeder kennt: Selbstsabotage. Mit psychologischen und philosophischen Strategien und Erklärungen für das komplexe Verhalten hilft sie ihren Leser:innen dabei, sich selbst den Weg frei zu machen. 
Die Beststeller-Autorin Brianna Wiest lebt in den USA und greift mit ihrem neuesten Buch "The Mountain is you" einen Schutzmechanismus auf, den wohl jeder kennt: Selbstsabotage. Mit psychologischen und philosophischen Strategien und Erklärungen für das komplexe Verhalten hilft sie ihren Leser:innen dabei, sich selbst den Weg frei zu machen. 
© Piper Verlag

Sechs Mechanismen der Selbstsabotage

Aber das Ganze kann noch ganz andere Formen annehmen. Autorin Wiest beschreibt in ihrem Buch die vielen verschiedenen Formen der Selbstsabotage – und nennt im gleichen Zuge Strategien, um diese zu überwinden. Das sind demnach sechs der prägendsten Taktiken von Selbstsaboteuren:

Innerer Widerstand: Kennen Sie das Gefühl, dass Sie vor einer neuen Aufgabe stehen, sich aber einfach nicht aufraffen können, damit anzufangen? Das ist der innere Widerstand. Er entsteht, wenn wir nicht genau wissen, was wir wollen – oder nicht willens sind, uns dafür einzusetzen.

Der Ausweg: Verschaffen Sie sich Klarheit darüber, was Sie wollen – und was es dafür braucht. Manchmal hat der innere Widerstand auch Recht und wir können auf die Tätigkeit verzichten.

Zu viel des Guten: Jeder Mensch hat Wiest zufolge eine Grenze für das Gute. Das bedeutet, dass wir nur bis zu einem gewissen Grad mit positiven Erlebnissen umgehen können. Wenn das Leben es sehr gut mit uns meint, wir aber über diese Grenze hinausgehen, dann kann uns das verunsichern – und es setzen Schutzmechanismen ein. Das ist der Moment, in dem die Selbstsabotage beginnt.

Der Ausweg: Die Komfortzone zu verlassen fällt auch schwer, wenn es im Positiven ist. Es gilt also, kleine Schritte zu gehen – und sich zu trauen, das gute Unbekannte anzunehmen.

Perfektionismus als Maßstab: Perfektionismus ist eine Utopie, die wir uns gerne selbst erzählen. Und diese Geschichte hat nur einen Zweck: Selbstsabotage. Denn wenn wir versuchen, perfekt auszusehen, uns perfekt zu verhalten oder perfekte Arbeitsergebnisse abzuliefern, dann erzeugen wir vor allem unrealistische Erwartungen an uns selbst, die wir niemals erfüllen können. Scheitern programmiert.

Der Ausweg: Die eigenen Ansprüche herunterschrauben – und einfach machen, ohne sich Gedanken darüber zu machen, wie das Ergebnis am Ende aussieht. Auch mal die Gefahr eingehen, Fehler zu machen. Denn aus denen lernt man bekanntlich.

Die Scheu vorm Scheitern: Was könnten wir alles erreichen, wenn da nicht diese laute Stimme in unserem Kopf wäre, die immer wieder sagt: "Bloß nicht scheitern!". Leider schenken wir ihr viel zu oft Gehör und versuchen gar nicht erst, eine komplizierte Liebesgeschichte zu starten oder die nächste Karrierestufe zu erreichen. Wir fangen oft gar nicht erst an, die nötige Arbeit in diese Ziele zu investieren und bleiben dann oft mit einer verpassten Chance und der Frage: "Was wäre, wenn…?" zurück.

Der Ausweg: Zwei Dinge sind hier wichtig: Das Scheitern als Teil des Lebens zu begreifen und die Erwartungen an das Neue an die Realität anpassen. Niemand hat eine Garantie, dass neue Projekte gelingen. Vieles braucht seine Zeit, um die gewünschten Erfolge abzuwerfen – aber wenn man es nicht versucht, ist das Scheitern quasi programmiert.

Erfolge, die keine sind: Eigenlob stinkt – das ist so ein Satz, den sicherlich jeder von uns schon einmal gehört hat. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass viele Menschen dazu neigen, ihre eigenen Erfolge kleinzureden. Ein Master-Abschluss mit 1,0? Ganz normal. Die Beförderung zur Führungskraft? Halb so wild. Die ganze Care-Arbeit für die Familie? Selbstverständlich! Indem wir unsere eigenen Erfolge runtermachen, wollen wir meistens das Gefühl vermeiden, es "geschafft" zu haben – und das Ganze dann wieder zu verlieren. Das Ergebnis ist aber immer das Gleiche: Wir erkennen unsere Leistung nicht an.

Der Ausweg: Hier hilft es, unsere Sichtweise zu ändern. Wenn wir Angst bekommen, sobald uns etwas Gutes widerfährt, werden wir es nie wirklich genießen können. Dabei steht nirgends geschrieben, dass man automatisch fällt, nachdem man den Gipfel erreicht hat.

Bloß beschäftigt bleiben: Wer immer unter Strom steht und von Termin zu Termin hetzt, der hat nicht wirklich Zeit, sich mit seinen Bedürfnissen und Wünschen auseinanderzusetzen. Gleiches gilt übrigens auch für Gefühle. Die Dauerbeschäftigung, der sich viele Menschen heutzutage aussetzen, ist also auch eine Form der Selbstsabotage. Sie lenken sich damit von ihrem Inneren ab, von tiefen Sehnsüchten und Sorgen – und laufen am Ende mit jedem Termin ein Stück weiter vor sich selbst weg.

Der Ausweg: Hier gilt: Pausen sind Gold wert. Statt jede freie Minute zu verplanen, schaffen Sie sich bewusst Freiräume, um mal wieder wirklich Zeit mit sich selbst zu verbringen. Was sich im ersten Moment vielleicht komisch anfühlen wird, kann langfristig ein echter Game Changer sein.

Die selbsterfüllende Prophezeiung 

Selbstsabotage hat viele Gesichter. So unterschiedlich der Mechanismus sich aber auch äußern kann, so klar ist die Ursache meistens. Oft sorgen ein mangelndes Selbstwertgefühl und ein negatives Selbstbild dafür, dass wir uns selbst manipulieren und eigenes Versagen provozieren. Es ist sozusagen eine sich selbsterfüllende Prophezeiung, die sich mit jedem erfolgreichen Selbstsabotageakt verstärkt. Mit jeder neuen selbstgeschaffenen Enttäuschung wächst die Angst vor weiteren Misserfolgen an, der Selbstwert leidet. Autorin Brianna Wiest schreibt in ihrem Buch, dass Angst und Unsicherheit Faktoren sind, die zu Selbstsabotage führen können.

Die gute Nachricht: Wir müssen uns nicht mit dem Saboteur in uns zufriedengeben. Sobald wir erkennen, an welchen Stellen wir uns selbst im Weg stehen, können wir aktiv gegen die Selbstsabotage angehen. Wiest beschreibt den Weg aus der Selbstsabotage so: "Wir müssen tiefgreifende psychologische Erkundungsprozesse durchlaufen. Wir müssen das zugrunde liegende traumatische Ereignis identifizieren, unverarbeitete Emotionen befreien, gesündere Wege finden, unseren Bedürfnissen nachzukommen, unser Selbstbild neu definieren und Fähigkeiten wie emotionale Intelligenz und Resilienz entwickeln."

Ja, das klingt nach viel Arbeit. Aber die lohnt sich. Denn das Gegenteil von Selbstsabotage ist Selbstbestimmung. Und die erreichen wir ohnehin nur dann, wenn wir uns selbst reflektieren und uns Zeit und Raum für uns nehmen. Sobald es uns gelingt, das Gute im Leben anzunehmen, statt sich dagegen zu wehren, können wir das Leben aktiv gestalten. Dann trauen wir uns vielleicht auch, unsere Träume anzugehen, statt ihnen ständig hinterherzujagen.

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